Repräsentation asexueller Personen in Büchern – Wie geht das eigentlich richtig?

Vor Kurzem habe ich „Die Bewegung“ von John Ajvide Lindqvist gelesen. Ich liebe diesen Autor und finde das Buch als Ganzes klasse. Etwas ist mir dennoch aufgestossen: Die Darstellung der einen asexuellen Nebenfigur. Grundsätzlich freue ich mich über die Repräsentation asexueller Menschen in Büchern und Filmen. Wenn es jedoch nicht richtig gemacht wird, werden z.B. falsche Vorstellungen zementiert oder das Unverständnis über die Asexualität verstärkt, was asexuellen Menschen das Leben erschwert. Deshalb möchte ich in diesem Beitrag etwas Input geben, wie man das Thema als Autor richtig angehen kann.

Was stört mich nun an der Darstellung der asexuellen Person in dem erwähnten Buch? Der Roman handelt das Thema in einem Satz ab (Zitat):

„Aufgrund von gewissen Erlebnissen in ihrer Kindheit war sie asexuell und hatte ihre Wohnung mit Kuscheltieren, Kissen und bunten Postern dekoriert.“

aus „Die Bewegung“ von John Ajvide Lindqvist

Den Anfang können wir so stehen lassen. Es gibt Menschen, die aufgrund traumatischer Kindheitserlebnisse asexuell sind. Trotzdem möchte ich hier festhalten, dass das eine Möglichkeit und nicht eine Kausalität ist. Oder gibt es etwa immer einen Grund, warum Menschen z.B. homo- oder heterosexuell sind? Eben.

Problematischer ist vor allem der zweite Teil des Satzes, mit den Kuscheltieren und den Postern. Erstens bedient es ein Klischee, das einem so in der Realität kaum begegnen wird. Zweitens setzt es asexuell zu sein gleich mit „zurückgeblieben und kindlich“. Eine Person, in deren Entwicklung etwas schief gegangen ist. Das ist Unsinn. Asexualität ist eine Eigenschaft von vielen. Das einzige, was asexuelle Menschen von anderen unterscheidet, ist das Fehlen sexueller Anziehung oder Verlangens. Das hat mit den anderen Lebensbereichen einer Person nichts zu tun.

Wie kann man es besser machen? Wie bei allen schreibbezogenen Fragen dieser Art, gibt es kein Patentrezept. Menschen sind individuell und ebenso sollten Romanfiguren es sein. Aber ich kann einige Punkte nennen, die man beachten sollte:

  • Vermeide Klischees
    Möglicherweise existiert der „zurückgebliebene Nerdtyp“ oder die „verückte Katzenmami“ oder „das hässliche Entlein, das keinen abbekommt“. Das sind aber alles Dinge, die in keinem direkten Zusammenhang mit Asexualität stehen. Besser ist, der Person ein Leben zu geben, das genauso gut von jeder anderen Figur in der Geschichte geführt werden könnte, mit Arbeit, Hobbys, Freunden und Vorlieben.

 

  • Differenzieren
    Aber was, wenn ich eine Figur wie die von Lindqvist erschaffen möchte? Darf man das jetzt nicht mehr oder was? Doch, sicherlich, Literatur darf ja (fast) alles. Dafür möchte ich euch folgende Überlegungen ans Herz legen: Die Person ist höchstwahrscheinlich nicht asexuell, weil sie zurückgeblieben ist und auch nicht zurückgeblieben, weil sie asexuell ist. Es wird irgendeinen Grund geben, warum die Person so ist. Aber wie bereits erwähnt, sollte das nicht in einem kausalen Zusammenhang mit der Asexualität stehen.

 

  • Gehe auf die Gefühle der asexuellen Person ein
    Ist die Person nicht Perspektivträger*in, kann man die Gefühle der Person z.B. in einen Dialog einflechten. Auch wenn der Plot keinerlei sexuelle oder romantische Szenen enthält, ist es möglich, aufzuzeigen, wie die Gedanken einer asexuellen Person sich äussern. Ein Beispiel: Wir befinden uns auf einem Schulhof. Es gibt den einen Jungen, den die meisten Mädchen super sexy finden. In der Clique der Mädchen ist jemand asexuell. Sie wird es z.B. nicht verstehen, wenn die anderen im Sportunterricht seinen Körper begutachten und kommentieren. Für das asexuelle Mädchen ist das schlichtweg irrelevant. Sie kann aber z.B. eine positive Meinung über den Charakter des Jungen haben.

 

  • Gib der Asexualität eine neutrale oder positive Position
    Hier geht es mir wieder um das Differenzieren: Die asexuelle Figur in der Geschichte kann jemand sein, dem es im Leben schlecht geht. Aber das ist etwas, was nicht von der sexuellen Orientierung einer Person abhängt. Asexuelle Menschen leiden für gewöhnlich nicht unter der Asexualiät selbst, sondern viel mehr unter dem Unverständnis ihres Umfelds. Wenn die Buchfigur also darunter leidet, dann weil es irgendjemanden in ihrem Leben gibt, der ihre Asexualität nicht akzeptiert.

Kling alles ziemlich kompliziert? Im Grunde ist es ähnlich wie: „Ich möchte aus der Sicht eines Arztes schreiben, bin aber keiner.“ Das erfordert viel Recherche und eine ordentliche Portion Empathie. Auf jeden Fall ist es ratsam, sich Hilfe bei Personen, die sich mit dem Thema auskennen, zu holen. Wenn du niemanden kennst, frage bei entsprechenden Gruppen an (ein paar davon findest du hier: Linkliste). Uns asexuellen Menschen ist es wichtig, dass wir in Romanen und Filmen korrekt repräsentiert werden. Wer sich als Autor die Mühe macht, sich ein wenig mit dem Thema auseinanderzusetzen, ist auf einem guten Weg.

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