Kunst oder Handwerk? – Wie Theorie-Wissen uns hilft, besser zu werden

Eine Sache, die uns meist unser ganzes Leben lang beschäftigt, ist die Frage nach «Kunst» oder «Handwerk». Manche bestehen darauf, dass Handwerk mehr ausmacht als das «Künstler*in sein». Andere sind der Ansicht, Kunst solle frei sein und «Regeln» schränkten einen lediglich ein. Kommt das Thema auf, wird eifrig und emotional diskutiert, ebenso wie wir ständig unseren inneren Disput damit austragen.

Wie viel Handwerk brauche ich wirklich? Kann ich nicht einfach Künstler*in sein? Ich habe alle Regeln beachtet, aber es funktioniert trotzdem nicht. Ich habe mich vollkommen frei ausgedrückt und jetzt kommt jemand, der mir «handwerkliche Schwächen» vorwirft. Soll ich Schreibratgeber lesen? Brauche ich einen Gesangslehrer? Muss ich Zeichnungsunterricht nehmen, um besser zu werden?

Immer wieder höre ich von Autorenkolleg*innen, dass Schreibratgeber sie verwirren. Als ich singen lernte, war ich gestresst, weil ich ständig daran denken musste, was «richtig» ist. Und jedes Mal, wenn ich ein neues Zeichnungstutorial sehe, frage ich mich, ob in dem Fall nicht alle meine bisherigen Informationen Unsinn waren. Es kann uns ganz schwindelig machen, dieses Handwerk. Schliesslich arbeiten wir mit Kunst und nicht im Metallbau oder der Schreinerei.

Wozu sich also verrückt machen? Da teile ich die Ansicht von Stephen King. In seinem Buch «On Writing» (Schreibratgeber und Autobiographie in einem) spricht er von einer Toolbox, also einer Werkzeugkiste. Er erklärt, dass man eine Reparatur durchaus auch mit einem unpassenden Schraubenzieher ausführen kann – mit dem passenden geht es jedoch leichter und das Ergebnis wird schöner. Ich mag diese Metapher. Es geht nicht darum, dass wir alle Werkzeuge benutzen müssen oder uns vorschreiben lassen, was wir wie zu reparieren haben; sondern darum, dass wir entscheiden können, welches uns am besten zum Ziel führt.

Nun lehne ich mich mal aus dem Fenster und behaupte, bei Büchern und Filmen zu erkennen, ob ein*e Autor*in gewusst hat, was er/sie* tut oder nicht. Ich behaupte, auseinanderhalten zu können, ob bei für mich störenden Elementen handwerkliche Schwächen vorliegen oder sich lediglich die Absicht meinem Verständnis entzieht. Und doch gibt es sie: die «schlechten» Bücher, die Millionen Leser*innen finden. Die Musiker*innen, die keinen Ton treffen und sich trotzdem eines Kultstatus und einer riesigen Fangmeinde erfreuen. Ebenso gibt es perfekte Werke, die schnell wieder vergessen sind. Wie kommt’s, wenn das Handwerk doch so wichtig ist?

Hier liegt die Krux. Können ist nicht alles. In erster Linie braucht ein künstlerisches Werk eine Aussage – einen Inhalt, der bei Menschen ankommt, eine Message. Manches Werk wird nur von dieser Message getragen. Ist es also übertrieben, zu sagen, dass wir Handwerk brauchen?

Ich finde nicht. Die wahre Frage ist doch, könnten jene Werke noch besser getragen werden? Könnte die Message noch eindringlicher rübergebracht werden? Könnte das Werk noch mehr Menschen erreichen und noch tiefer in unseren Köpfen hängen bleiben? Die Antwort ist ein klares Ja. Natürlich möchten die Leute einen zweckmässigen Tisch. Aber wenn der Tisch auch noch schön ist und ein kleines bisschen stabiler als andere Tische und vielleicht sogar noch eine Ausziehfunktion hat, mögen die Leute den Tisch nicht nur, sie haben so richtig Freude daran.

Genauso verhält es sich mit unserer Kunst. Wenn wir unsere Botschaft in der bestmöglichen Weise verpacken können, kommt sie nicht nur an, sie sorgt für Emotionen. Und emotionale Eindrücke bleiben. Sie sorgen dafür, dass wir uns ein Leben lang an ein Werk erinnern, bringen uns zum Nachdenken und bereichern unsere Seele und unseren Alltag. Es bewirkt etwas in uns.

Doch nicht nur für unser Publikum, sondern auch für uns selbst, ist Handwerk etwas Interessantes. Wir können uns dadurch noch intensiver mit dem beschäftigen, was wir lieben, entwickeln uns weiter und können immer neue, ambitioniertere Werke erschaffen. Je weiter wir kommen, wie komplexer und anspruchsvoller unsere Herausforderungen, umso grösser ist auch unsere Freude, wenn wir sie meistern. Der Mensch hat einen natürlichen Entdeckungsdrang und mit jedem neuen Werkzeug, dessen Beherrschung wir uns aneignen, entdecken wir etwas. So wird uns unsere Sache niemals langweilig.

Ich empfehle also allen, sich mit ihrem jeweiligen Handwerk auseinanderzusetzen. Nicht, um sich Regeln zu unterwerfen. (Da bin ich ganz bei Dan Wells: «Es gibt keine Regeln fürs Schreiben.» Und das gilt auch für andere Künste). Man braucht sich nicht davon einschränken zu lassen oder sich unzulänglich zu fühlen, weil man bestimmte Dinge nicht versteht oder anders sieht. Das Ziel ist, so viele Werkzeuge wie möglich zur Verfügung zu haben, damit wir unsere Inhalte in der wirkungsvollsten Art und Weise rüberbringen können – und dabei den grösstmöglichen Spass haben.

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