Es ist eine Frage, die wir uns immer wieder stellen. Insbesondere, wenn es gerade einmal weniger gut läuft – wir eine Schreibblockade haben oder eine Zeit lang nichts veröffentlichen – sind die Zweifel nicht weit: Bin ich überhaupt eine richtige Autorin? Darf ich mich noch Autorin nennen, wenn ich gerade nichts schreibe? Wenn ich noch gar nichts veröffentlicht habe oder meine letzte Geschichte vor drei Jahren in einer kleinen Anthologie erschienen ist?
Lass uns genauer anschauen, was hinter diesen Gedanken steckt. Sicherlich hast du eine klare Vorstellung davon, was eine «richtige Autorin» ist: Eine, die acht Stunden am Tag schreibt, jeden Tag, ihre 3’000 Wörter pro Session runterrattert und gegen Monatsende den fertigen Entwurf der Lektorin schickt. Okay, seien wir realistisch. Vielleicht sind 3’000 Wörter am Tag etwas hochgesteckt. Dann macht sie die restliche Zeit eben Recherche, Charakterentwicklung oder Plotplanung. Ist ja alles auch schreiben …
Und du? Du sitzt da und kommst nicht weiter, gehst stattdessen mit Freunden ins Café oder schaust die nächste Netflix-Serie, nur um dich dann noch schlechter zu fühlen, weil du a) nichts gemacht hast und b) die Autor:innen der Serie es so richtig drauf haben.Da kommt der Geadanke «Ich bin so eine schlechte Autorin» dann noch hinzu … Und du schreibst erst recht nichts mehr, denn es kann ja nur schlecht sein.
Zurück zu den Superautor:innen, du weisst schon, die mit den Bestsellern und den Netflix-Serien und so. Dazu habe ich eine Frage für dich: Wie schnell schreibst du normalerweise? Wie lange brauchst du für 500, 1’000 oder 2’000 Wörter? Eine Stunde, vielleicht zwei? Drei, vier? Alles in Ordnung. Werfen wir einen Blick auf die Wortzahlen berühmter Autoren: Stephen King schreibt 2’000 Wörter pro Tag. Ian McEwan kommt mit 600 aus, die Zahl, um die herum sich die sich die meisten bekannten Schreibenden bewegen.
Nun ein Rechenbeispiel: Für 2’000 Wörter brauche ich ca. 2-3 Stunden, je nachdem, wie gut ich im Flow bin oder wie anspruchsvoll die Szenen sind. Mein Tag hat 8 Stunden plus. Sprich, würde ich jeden Tag diese 2k Wörter schreiben, hätte ich jeden Tag immer noch ca. 5 Stunden Zeit für andere Dinge. Bei 600 Wörtern wären es sogar 7.5 Stunden am Tag, in denen ich auch während einer guten Phase nichts schreiben würde– wäre ich deswegen keine richtige Autorin mehr?
Wie du siehst, kannst du also das mit den 8 Stunden schreiben pro Tag schon einmal getrost vergessen. Jetzt denkst du bestimmt, «Ja aber Tamy, die schreiben dann immer noch jeden Tag!» – Weisst du das ganz sicher? Weisst du ganz sicher, wie andere mit schwierigen Zeiten, Hindernissen etc. umgehen?
Wir – auch ein King und ein McEwan – sind immer noch Menschen, deren Energiereserven beschränkt sind. Vielleicht nimmt gerade etwas anderes sehr viel Raum in deinem Leben ein. Vielleicht ist es irgendetwas an der Geschichte, das nicht stimmt – und weil dein Gehirn nun einmal kein Computer ist, der aus eingegebenen Daten innert Sekunden ein Ergebnis berechnet, brauchst du diese Zeit. Oder du brauchst schlichtweg eine Schreibpause. Ich kenne Leute, die das gezielt tun, weil ihre Motivation sonst ausbrennt. Natürlich verschwindet der Zweifel von diesem Wissen nicht einfach. Aber du kannst ihn leiser machen, ihm seine überwältigende Kraft nehmen.
Die Übung
Indem du deine eigenen Kriterien festlegst. Gehe folgende Fragen einzel für dich durch. Überlege, was du zu jemand anderem sagen würdest, der dich um Rat bittet. Notiere deine Antworten.
Was macht eine «richtige Autorin» für dich aus? Was musst du tun, damit du eine bist? Musst du täglich aktiv Wörter produzieren? Oder reicht es auch, wenn das Schreiben so tief in dir drin ist, dass du ständig daran denkst? Bist du Autorin, wenn das Schreiben in deinen Gedanken weitergeht, auch wenn gerade nichts dabei herauskommt? Wenn du unbedingt schreiben willst, weil es dich herunterzieht, ohne zu sein? Wenn du das Schreiben brauchst wie die Luft zum Atmen? Oder wenn du weisst, dass du es wieder tun wirst, sobald ein neuer Ideenfunke da ist?
Was macht Autoren zu Autoren? Würdest du jemandem, der ein Instrument spielt, sagen, er wäre kein richtiger Musiker, nur weil er eine Zeit lang nicht mehr gespielt hat? Würdest du einen Maler, dessen Bilder du gesehen hast, als keinen richtigen Maler bezeichnen, wenn er für ein neues Bild ein etwas länger braucht? Und zu guter letzt: Was würdest du deiner besten Freundin sagen, wenn sie in der gleichen Situation wäre?
Und? Wie sieht’s aus? Bist du nun Autorin oder nicht? 😉 Wenn du magst, erzähle mir gerne in den Kommentaren von deinen Ergebnissen.
Du möchtest lernen, besser mit den Struggles deines kreativen Lebens umzugehen? Du könntest ab und zu einen friendly reminder gebrauchen? Dann abonniere jetzt meinen Newsletter, um jeden Beitrag bequem direkt in dein Mail-Postfach gesandt zu bekommen! Oder folge dem Blog auf Instagram unter @kunstgluecklichleben.tamy!